Puh –  letztes Kapitel vom Buch Hiob gelesen. Es geht gut aus! Alles wendet sich zum Besten. Das wäre doch was für Hollywood, so ein Happy end!

Ich habe in der letzten Zeit diese unglaublich dramatische Lebensgeschichte gelesen. Hiob – ein Mann mit dermassen gutem Leumund:

Es war ein Mann im Land Uz, der hieß Hiob; der war ein untadeliger und rechtschaffener Mann, der Gott fürchtete und das Böse mied. (Hiob 1,1) 

Und dann brechen die Ereignisse eins nach dem anderen über ihn herein.  Feinde überfallen seine Farmen, stehlen das ganze Vieh, verwüsten sein Land. Boten berichten Schreckliches (deshalb „Hiobs-Botschaften“ in unserem Sprachgebrauch). Dann werden seine zehn Kinder getötet. Wahrlich ein schlimmes Schicksal. Und dann kommen noch jede Menge Krankheiten für Hiob selbst hinzu. Ein Übermass an Leid und Elend.

Aber – so wird berichtet – bei allem sündigte Hiob nicht und redete auch nichts Ungebührliches über Gott.

Erklärungversuche

Drei seiner Freunde kommen, versuchen ihre eigene Theologie, ihre eigenen Erklärungen, dieses Leid zu deuten. Und vertiefen bei Hiob nur den Schmerz, weil zu seinen äusseren Leiden dieses Unverständnis derer dazukommt, die ihn ja besser kennen sollten. Wie furchtbar einsam muss er sich gefühlt haben, zumal ihn ja seine eigene Frau auch schon aufgegeben hatte („Sage dich los von Gott und stirb!“). Und von Gott kam keine Antwort.

Erschwerend finde ich, dass Hiob und seine Freunde ja keinen blassen Schimmer von dem hatten, was für den heutigen Bibelleser so gut erklärt wird, dass es in einer anderen Ebene – im Himmel – einen „Deal“ zwischen Gott und Satan gegeben hatte. Das sollte man unbedingt einmal selbst in der Bibel nachlesen… Hiob wusste von dem allem nichts. Ihm blieb nur sein eigener Kopf, seine eigenen Erklärungsversuche, wieso das alles passiert ist.

Wenn Gott redet

Lange Erklärungsreden werden im Buch Hiob berichtet. Jeder seiner vier Freunde versucht es auf seine Weise zu erklären. Und Hiob debattiert dagegen. Hofft, Antworten zu finden. Bis Gott selbst in das Gespräch eingreift. Auf seine unnachahmliche kluge Art Fragen stellt. So gute Fragen, dass Hiob dann doch still wird. Zwei Dinge fallen mir beim Lesen auf.

Zuerst: Gott ist grösser und ganz anders, als sich Hiob je vorgestellt hatte. Und Hiob – siehe Kapitel 1 – war wirklich ein Mann, der sich intensiv mit Gott beschäftigt hatte. Dachte, ihn zu kennen. Aber er muss lernen, dass sein Intellekt, sein Wissen, seine Vorstellungskraft nicht im Geringsten an die Wirklichkeit Gottes heranreichte.

1 Da antwortete Hiob:
2 „Herr, ich erkenne, dass du alles zu tun vermagst; nichts und niemand kann deinen Plan vereiteln.
3 Du hast gefragt: ‚Wer bist du, dass du meine Weisheit anzweifelst mit Worten ohne Verstand?‘ Ja, es ist wahr: Ich habe von Dingen geredet, die ich nicht begreife, sie sind zu hoch für mich und übersteigen meinen Verstand.
4 Du hast gesagt: ‚Hör mir zu, jetzt rede ich, ich will dich fragen, und du sollst mir antworten!‘

Kann man Gott sehen?

Scheinbar schon, zumindest in Ausnahmesituationen. Immer wieder einmal berichtet die Bibel, dass Menschen und Gott im Gespräch waren. Auch Hiob erlebte die Gegenwart des Allmächtigen. Wie genau das geschehen ist, da Gott doch auch ein „verzehrendes Feuer“ ist – ich weiss es nicht. Auf alle Fälle steht es hier im Text:

5 Herr, ich kannte dich nur vom Hörensagen, jetzt aber habe ich dich mit eigenen Augen gesehen!
6 Darum widerrufe ich meine Worte, ich bereue in Staub und Asche!“ (aus Hiob 42)

Und endlich hatte Hiob Antworten auf seine brennenden Lebensfragen, auch was sein Leid anging. Er konnte vieles nicht verstehen, noch weniger aus seiner bisherigen Erfahrung erklären – aber, nachdem er Gott mit eigenen Augen gesehen (und gehört) hatte, war ihm auch die Andersartigkeit und Grösse Gottes neu bewusst.

Demut

Nach diesem Disput reagiert Hiob auf eine für mich vorbildliche Art: Er revidiert sein bisheriges Denken und Reden über Gott. Und tut Busse darüber.

Wie vieles haben wir, habe ich schon an Theorien über Gott losgelassen. Und hatten keine Ahnung, wie er wirklich ist! Und dann gibt es Augenblicke im Leben, wo der grosse Gott einem irdischen Menschen einmal ein wenig in seine Welt hineinblicken lässt – und wir ahnen, dass ER ganz anders ist, als wie wir ihn mit unserem „Schubkastendenken“ einordnen wollen. Da steht uns mehr und mehr Demut an. Und eine (ernstgemeinte) Entschuldigung beim Schöpfer wäre auch nicht schlecht…

Hiobs geistliches Leben hat erst wirklich nach seinen Leiden, nach seinen Zweifeln und Diskussionen und nach seinem direkten Erleben Gottes angefangen.

Ich für mich möchte diesen Augenbklick in meinem eigenen Leben nicht verpassen…